"Du bist enterbt!" – Pflichtteilsansprüche gelten dennoch

Familienharmonie herrscht nicht überall. Wie aber setze ich die Enterbung durch? Wer hat einen Anspruch auf einen Erbanteil und welche Möglichkeiten gibt es überhaupt für den Erblasser, den Erbanspruch auszuhebeln oder zumindest sein Kind auf den Pflichtteil zu setzen.

Fall: Die Mutter hat schon lange keinen Kontakt zu ihrem Sohn. Dieser hat sich mit 18 Jahren verabschiedet, soll eine Familie gegründet haben, die Enkelkinder kennt sie nicht. Es gibt noch zwei ältere Geschwister, die ebenfalls Kinder haben. Von ihrem Mann ist sie geschieden. Kann Sie den Sohn ganz vom Erbe ausschließen oder erbt er zumindest seinen Pflichtteil?

Ohne Testament gilt die gesetzliche Erbfolge, danach erben Abkömmlinge zu gleichen Teilen, wenn es keinen Ehepartner mehr gibt. Erwähnt man ein Kind dagegen nicht in seinem Testament, so gilt dieses als enterbt. In Deutschland ist diese Person aber nicht von der Erbschaft in Ganzem ausgeschlossen, sondern er hat einen Geldanspruch auf seinen hälftigen Erbanspruch, den so genannten Pflichtteilsanspruch iSv. § 2303 BGB. Damit stellt der Gesetzgeber sicher, dass dieser zumindest etwas erbt und beugt somit einer Verarmung von Abkömmlingen vor. Das Ziel dahinter ist, dass der Staat weniger Unterstützungsgelder ausgeben muss (Hartz IV).

Wer hat einen Anspruch auf einen Pflichtteil?

  • Abkömmlinge, leibliche oder adoptierte Kinder
  • Deren nachfolgende Abkömmlinge, wenn die Kinder vorverstorben sind, als Enkel/Urenkel
  • Ehegatten/eingetragene Lebenspartner
  • Bei kinderlosen Paaren: auch deren Eltern

Wer kann keinen Pflichtteil geltend machen?

Geschwister dagegen können keinen Pflichtteil geltend machen.

Pflichtteilshöhe? Anspruch nur in Geld

 

Der Pflichtteil macht die Hälfte des gesetzlichen Erbteils aus. Wenn die Mutter vorliegend 3 Kinder hat, so erben diese zu einem Drittel, der Enterbte hat Anspruch auf 1/6. Sein eines 1/6 erhöht die Erbquote der übrigen Kinder, hier die der beiden Töchter. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten besteht nur in bar gegenüber den Erben.

Pflichtteilsansprüche sind innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt anzumelden, an dem man von der Enterbung erfahren hat. Ansonsten droht Verjährung des Anspruchs.

Man kann den Pflichtteilsberechtigten auf den Pflichtteil setzen und in Form eines Vermächtnisses im Testament ihm einen Barbetrag zusprechen. Aber aufgepasst, ist das Vermächtnis niedriger als der tatsächliche Pflichtteilsanspruch kann dieser die Differenz geltend machen.

Die Mutter kann zu Lebzeiten das Vermögen steuern, indem sie zum Beispiel den anderen Töchtern ihr Haus noch zu Lebzeiten überträgt und sich einen Nießbrauch einträgt. Eine Schenkung reduziert das zu vererbende Vermögen aber nur, wenn sie lange genug vor dem Tod des Erblassers geschieht.

Hier gilt das „Abschmelzungsmodell“, mit jedem Jahr, welches ab Übertragung abgelaufen ist, reduziert sich der Anspruch bezogen auf diesen Vermögenswert um 10%. Nach 10 Jahren ist diese Übertragung im Erbfall irrelevant.

Aber Vorsicht, dies gilt nur für Übertragungen ohne Nießbrauch! Sie müssen also Ihren anderen Kindern vertrauen und die Immobilie so übertragen, obwohl sie selber darin wohnen. Für Schenkungen, bei denen ein Nießbrauch für die Mutter eingeräumt wird, und auch für Schenkungen zwischen Ehegatten gilt diese Frist gerade nicht.

Enterbung aus wichtigem Grund nur in äußerst schwerwiegenden Situationen möglich.

Es gibt kaum Möglichkeiten, den Pflichtteil zu entziehen. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich einer schweren Straftat gegen den Erblasser schuldig gemacht haben. Das greift, wenn er versucht hat, seine Mutter umzubringen.

Lösungsanteil durch Pflichtteilsverzicht

Die Mutter und der Sohn können einen so genannten Pflichtteilsverzicht vor einem Notar vereinbaren. Der Pflichtteilsberechtigte verzichtet auf seine Ansprüche, dafür erhält er im Gegenzug zu Lebzeiten der Mutter eine Abfindung. Damit läßt sich manchmal eine solche Situation entzerren.

Erbfall eingetreten und der Sohn macht seinen Pflichtteil gerichtlich geltend?

Dann hilft nur der Gang zum Rechtsanwalt. Der Pflichtteilsberechtigte fordert dann die Offenlegung der Vermögenswerte. Das klingt einfacher als es in der Realität ist. Viele Sachen müssen erst einmal bewertet werden, das kostet Gutachterkosten. Dann muss mit dem Gegenanwalt eine Vereinbarung erzielt werden, um den Erbfall zu beenden.

Nichts anderes passiert, wenn eine Erbauseinandersetzung ins Stocken gerät, auch dann helfen Anwälte auf beiden Seiten, um ohne Emotionen den Nachlass aufzubereiten und so eine Erbauseinandersetzungsvereinbarung zu ermöglichen. Manchmal kann so der Familienfrieden erhalten bleiben.

Das deutsche Pflichtteilsrecht ist nicht unumstritten. So gibt es dieses Modell auch nicht in vielen anderen Ländern. Das Argument dagegen lautet, dass es das Erbrecht stark verkompliziert in Deutschland, zudem haben die Eltern im Regelfall auch die Ausbildung der Kinder gezahlt und damit diese in die Welt entlassen, das sollte genug sein.

Maren Jackwerth, Rechtsanwältin

(Angaben ohne Gewähr)